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Auszeit im Paradies

Zeit des Erlebens in der organischen Farm Dikkapitiya

„ Das ist ja fast wie daheim im Operationsaal!“ Der Chirurg aus München schiebt die Brille zurecht und führt vorsichtig den kleinen Holzstab in die kelchförmige Vanilleblüte ein. Gerade erst ist die Sonne aufgegangen, nur in den frühen Morgenstunden und das nur wenige Tage lang kann die Vanille bestäubt werden und das ist heute Aufgabe von Dr. Braun. Seit vier Tagen ist er nun Gast in der Farm in Dikkapitiya, aber nur rumsitzen oder spazieren gehen ist nicht sein Ding. Sein Telefon und den Computer hat er bei der Ankunft ausgeschaltet. Frei werden für Neues, das geht nur, wenn man ein paar Regeln beachtet. Wer überall sein will, immer vernetzt und erreichbar, der ist letztlich nirgendwo. „In den paar Tagen hier habe ich unglaublich viel gelernt, über die Natur, die Pflanzen, Tiere aber hauptsächlich über mich selbst“, meint der 50jährige Arzt und er ist neugierig auf mehr.

Die Erlebniswelt in und um die organische Farm Dikkapitiya ist unvorstellbar reich an Facetten, der tropische Bergurwald, die Teegärten, die Plantagen für Zimt und Pfeffer und die Vanillepflanzen mit ihren zerbrechlichen Blüten wechseln mit unberührter Natur im benachbarten Schutzgebiet. Hier wachsen zahllose Heilpflanzen, die bei Bedarf eingesammelt und zu Naturmedizin verkocht oder gepresst werden. Es ist ein kleiner Garten Eden. Affen schauen den Besuchern über die Schulter, Pfaue stolzieren vorbei, ohne jede Angst, überall Spuren freilebender Elefanten, die man allerdings besser nur aus sicherer Entfernung, etwa von einem der Hochsitze aus, beobachtet. Nichts lässt sich in der Natur erzwingen, nicht gegen die Natur sondern mit ihr leben, so das Credo des Farmdirektors Shiran Silva. „Viele Jahre lang kämpften wir nur mit der Hacke gegen Dornen und Unkraut, da war die Versuchung schnell mal etwas Gift zu verspritzen groß“, erzählt er. „Damals habe ich unseren Boss Michael Kreitmeir für verrückt gehalten, aber heute weiß ich, all die Mühen haben sich gelohnt“, so der Singhalese. Er zeigt auf einen fast Handteller großen Schmetterling, er deutet auf zahlreiche Blüten, macht auf einen Waran aufmerksam, der auf einem Felsbrocken in der Sonne döst. Es war wie eine Wiedergeburt hier, das Leben in all seiner Vielfalt kam zurück. Mit den Insekten kamen die Vögel, bald waren auch wieder Hasen da und Bergrehe, Pfauen, Leben überall. Shiran deutet auf Spuren eines Bergleoparden und er ist stolz, dass dieses so selten gewordene Raubtier im Naturpark von Little Smile eines der letzten Rückzugsgebiete gefunden hat. Doch nicht alle Tiere sind bei dem Farmer beliebt: Affen richten großen Schaden an, es sind einfach zu viele, weil nicht mehr viel übrig ist vom einst in der UVA Provinz dominierenden Bergurwald. Auch die Wildschweine stellen ein Problem dar, aber naturnahe Bewirtschaftung hat eben ihren Preis, wer wüsste das besser als Shiran Silva. Der studierte Philosoph hat die Bücher und den bequemen Schreibtisch bereits im Jahr 2007 mit Machete und Schaufel vertauscht und, auch wenn die ehemaligen Kollegen ihn lange für verrückt gehalten haben, er hat es nie bereut. Mehr und mehr kommen sie nun aus der sechs Stunden entfernten Hauptstadt und staunen über eine Welt, von der sie glaubten, sie sei bereits ausgestorben. „Die wollen gar nicht mehr zurück in ihre hektische, unnatürliche Welt“, erkannte der Farmleiter. Als Shiran Silva seine Arbeit hier begonnen hat, war er nicht gesund, hatte Probleme mit dem Herz, konnte nicht gut schlafen. Kaum vorstellbar, schaut man den schlanken, drahtigen Mann an, der scheinbar spielerisch die 350 Höhenmeter der Farm rauf und runterläuft. Irgendwann dann hat Michael Kreitmeir Besucher aus dem fernen Deutschland vorbeigebracht. Sie waren im Kinderdorf Mahagedara und Kreitmeir wollte ihnen zeigen, dass Little Smile mehr ist als eine Kinderhilfsorganisation. Leben mit, für aber eben auch von der Natur, in Dikkapitiya ist das überall greif- und damit begreifbar, indem man einige Tage hier mit lebt, lernt, wie man Zimt schält, Pfeffer trocknet, Nelken pflückt, giftige von heilenden Pflanzen unterscheidet, oder eben Vanille bestäubt. Am Abend wird dann gemeinsam gekocht, oft das, was man am Tag im Urwald gefunden hat, etwa Jack oder Brotfrucht, verfeinert mit frischen Gewürzen. Curry auf dem Holzfeuer gekocht, auch das muss man einfach erlebt haben in einer Welt, die eine Ahnung gibt davon, wie es war, damals als Sri Lanka Ceylon hieß und die Menschen noch in Harmonie lebten mit der wunderbaren tropischen Natur, damals, als diese kleine Insel ganz nah dran war an dem, was man sich unter einem Paradies vorstellt.